Umgehung: 11. Revision der Russland-Sanktionen

von | 23. Juni 2023 | Export, Russland, Strafrecht

Über das Problem der Umgehung der Russland-Sanktionen ist bereits vielfach berichtet worden. In der Praxis erfolgen diese Lieferungen häufig über Zwischenhändler in der Türkei und Kasachstan. Diese Zwischenhändler sind von den europäischen Sanktionen (Verordnung 833/2014) nicht betroffen (Art. 13 der Verordnung).

Der europäische Exporteur seinerseits macht sich wegen einer Umgehung nur dann strafbar, wenn er vorsätzlich und wissentlich handelt (Art. 12 Russland-Sanktionen). Das wird i.d.R. nicht der Fall sein, da er nicht weiß, wohin der Zwischenhändler die Ware weiterliefert. Wenn es sich nicht um Dual-Use-Güter handelt, liegt keine Endverbleibserklärung vor.

Sein Risiko ist aber die sog. mittelbare Bereitstellung sanktionierter Güter (z.B. Art. 3k Abs. 1 bei sog. „Industriegütern“). Diese könnte durch den Zwischenhändler erfolgen und strafbar sein. Das setzt jedoch voraus, dass es für den europäischen Exporteur zumindest erkennbar war, dass seine Güter nach Russland weitergeliefert werden können. Einzelheiten sind rechtlich schwierig.

Nun wurden am 23. Juni 2023 die Russland-Sanktionen aktualisiert (11. Revision). Eines der Ziele war, auf die Umgehungsgeschäfte zu reagieren. Das ist rechtlich nahezu unmöglich, da europäisches Recht ausländische Rechtsträger nicht verpflichten kann. Das wäre eine sog. extraterritoriale Wirkung, die es im europäischen Recht eigentlich nicht gibt. Sie wird auch (in Bezug auf die USA) völkerrechtlich kritisiert.

Auf die Umgehungsgeschäfte kann daher grundsätzlich nur politisch reagiert werden. So formuliert der Erwägungsgrund Nr. 8 des GASP-Beschlusses 2023/1217 vom 23. Juni 2023:

„Um gegen die Umgehung der restriktiven Maßnahmen der Union durch Drittländer vorzugehen, sollte die Union rasch die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit durch diplomatisches Engagement mit den betreffenden Drittländern und die Bereitstellung verstärkter technischer Hilfe für diese Drittländer stärken. Zur Entwicklung eines voll koordinierten diesbezüglichen Ansatzes gemeinsam mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission den Rat regelmäßig unterrichten.“

Allerdings eröffnet die Neuregelung einen Mechanismus, der auch im US-Exportrecht bekannt ist: Die Sanktionierung der Zwischenhändler selbst!

So formulierung der Erwägungsgrund 10 der 11. Revision (Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014):

Die Union sollte die geeigneten individuellen Maßnahmen ergreifen, um darauf zu reagieren, wenn sich Wirtschaftsteilnehmer aus Drittländern an der Erleichterung einer Umgehung beteiligen. Diese Maßnahmen können einzelne Benennungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates (4) oder andere Maßnahmen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates beinhalten, wie beispielsweise die Aufnahme von Organisationen in Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, unter anderem auf der Grundlage von Informationen und Vorschlägen der Mitgliedstaaten.“

Kommentar:

Mit der Möglichkeit, Zwischenhändler zu sanktionieren, die sich an Umgehungsgeschäften beteiligen, geht die EU einen Weg, der aus den USA bekannt ist. Dort werden diese Entitäten i.d.R. in die Liste der Sanktionsbrecher (Foreign Sanctions Evaders (FSE) List) aufgenommen. Das ist ein durchaus geeigneter Druckmittel, da diese ausländischen Rechtsträger in diesem Falle für den Rechtsverkehr in der EU gesperrt sind.

So formuliert Anhang IV (Sanktionsliste) in diesem Sinne:

Dazu gehören natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in anderen Drittländern als Russland. Ihre Aufnahme in diesen Anhang bedeutet nicht, dass die Verantwortlichkeit für ihre Handlungen dem Rechtsraum zugeschrieben wird, in dem sie tätig sind.“

Es bleibt abzuwarten, wie diese Regelung in der strafrechtlichen Praxis angewendet wird. Denn der Wirtschaftsteilnehmer aus einem Drittland muss sich an der Erleichterung einer Umgehung „beteiligen“. Wie beteiligt sich aber ein solcher Zwischenhändler, wenn nur er die Ware weiter nach Russland liefert und diese nicht nur „erleichtert“?

Kontakt:

Prof. Dr. Darius O. Schindler

Stabelstr. 8 | 76133 Karlsruhe
mail@exportrecht.com

Telefon: +49 (0)721 85 140 840

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