EuGH: Melli Bank und Iran-Sanktionen

18. Januar 2022 | Banken, Iran, US-Exportrecht

Towers of the Palace of the Court (pixabay curia-g25d368ccd_1920)

In einem Urteil vom 21. Dezember 2021 (Rechtssache C-124/20) hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) erstmals mit den Auswirkungen der europäischen Blocking-Verordnung beschäftigt.

Klägerin war die in Hamburg ansässige iranische Bank Melli. Die Telekom Deutschland GmbH hatte sämtliche mit der Bank bestehenden Verträge ordentlich gekündigt, nachdem die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump ihre Iran-Sanktionen reaktiviert hatten. Die Melli Bank ist in den USA als Rechtsträger sanktioniert (sog. SDN-Listung des OFAC). Mit diesen Personen dürfen US-Personen keine Verträge eingehen. Dieses Verbot wollen die USA weltweit ausdehnen (extraterritorial).

Die Melli Bank hielt die Kündigung der Verträge für rechtswidrig, da es nach der sog. Blocking-Verordnung (Verordnung Nr. 2271/96) europäischen Unternehmen verboten ist, ausländischen Sanktionen zu folgen. Die Verordnung wurde 1996 geschaffen, um den US-Sanktionen gegen Kuba entgegenzutreten. Der Anwendungsbereich der Blocking-Verordnung wurde dann 2018 auf die Iran-Sanktionen erweitert.

Der EuGH stellte in seinem Melli-Urteil nun fest:

  1. Das Verbot, ausländischen Sanktionen nachzukommen, die von einem Drittland (hier USA) unter Verletzung des Völkerrechts erlassen wurden, gilt auch dann, wenn das europäische Unternehmen aus dem Drittland (hier USA) keine Aufforderung oder Weisung erhalten hat.
  2. Die ordentliche (fristgerechte) Kündigung der Telekommunikationsverträge war auch ohne Begründung zulässig. Das betroffene Unternehmen aber (hier: Melli Bank) kann einwenden, dass der Kündigende (hier: Telekom) rechtswidrig einem ausländischen Verbot gefolgt ist.
  3. Das Kündigungsverbot, das aus der Blocking-Verordnung folgt, darf seinerseits nicht gegen die Prinzipien der unternehmerischen Freiheit gem. Art. 16 und 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen.

Gerade der letzte Punkt ist wichtig, da die Telekom selbst rund 50% des Umsatzes in den USA erwirtschaftet. Ein Verstoß gegen die US-Iran-Sanktionen würde diesen Markt gefährden. Auf der anderen Seite hatte es die Telekom versäumt, eine Befreiung zu beantragen. Dieser Antrag auf Befreiung gem. der Blocking-Verordnung hätte es ermöglicht, den US-Sanktionen zu folgen, ohne gegen die Blocking-Verordnung zu verstoßen.

Nach dieser Vorabentscheidung des EuGH zur Auslegung europäischen Rechts muss nun das Hanseatische Oberlandesgericht den Rechtsstreit entscheiden. Das Urteil wird mit Spannung erwartet.

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