Typische Fehlerquellen in der Exportpraxis – und wie man sie vermeidet

von | 9. Juni 2025 | A-Z, Checklisten, ICP

Im internationalen Handel kommt es immer wieder zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Exportkontrolle – oft begünstigt durch scheinbar unbedeutende Fehler in der täglichen Praxis. Ein systematischer Blick auf die typischen Fehlerquellen und ihre Vermeidung ist daher unerlässlich, um straf- und zollrechtliche Risiken von vornherein auszuschließen.

1. Fehlklassifizierung von Gütern

Die korrekte Einstufung von Waren nach der EU-Dual-Use-Verordnung (VO 2021/821) ist die Grundlage jeder Genehmigungsprüfung. Insbesondere bei Gütern mit doppeltem Verwendungszweck („Dual-Use“) kommt es häufig zu einer unvollständigen oder unzutreffenden Einordnung in Anhang I der Verordnung. Man verlässt sich dabei zu oft auf Herstellerangaben oder interne Vermutungen, statt einer strukturierten Suche in den offiziellen Listen.

Vermeidung:

Unternehmen sollten ein fest definiertes Verfahren zur Warenklassifizierung etablieren, das mindestens folgende Schritte umfasst:

  • Recherche in den EU-Listen: Systematische Abfrage von Anhang I der VO 2021/821 (EU-Dual-Use-VO) oder der US-Commerce Control List (CCL) für technologisch vergleichbare Produkte.
  • Einholung von Auskünften: Bei Unklarheiten ist eine verbindliche Anfrage an das BAFA oder eine fachkundige Beratung einzuholen.
  • Regelmäßige Schulung: Export- und Produktmanagement müssen halbjährlich in der Interpretation kritischer Merkmale (z. B. Leistungsschwellen, Verschlüsselungsgrade) geschult werden.

2. Unzureichende Prüfung von Endverwendung und Endverwender

Allein auf Kunden- oder Spediteurserklärungen zu vertrauen, birgt die Gefahr, dass sanktionierte oder risikobehaftete Empfänger unbemerkt beliefert werden. Insbesondere bei sensiblen Gütern kann dies schnell zu Ermittlungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) führen.

Vermeidung:

  • Endverbleibserklärung (EUC): Für risikobehaftete Lieferungen sollte immer eine schriftliche Erklärung des Kunden über Endverbleib und -verwendung eingefordert werden. Musterformular e-g. auf BAFA-Website.
  • Listenprüfung: Automatisierter Abgleich aller Beteiligten gegen EU-, UN- und US-Sanktionslisten sowie OFAC/ITAR.
  • Plausibilitätschecks: Bonitätsauskünfte und Wirtschaftsauskunfteien prüfen, ob die Angaben zu Unternehmen und Controlling-Strukturen schlüssig sind.

3. Umgehung durch Dritte – fehlende Kontrolle bei Reexporten

Viele Exporteure gehen fälschlicherweise davon aus, ihre Exportkontrolle ende mit Verlassen des EU-Hoheitsgebiets. Gerade bei Produkten mit US-Komponenten greifen jedoch auch nachträgliche US-Reexportbestimmungen (De-minimis-Regel, Foreign Direct Product Rule).

Vermeidung:

  • Vertragliche Verpflichtungen: Kunden schriftlich zur Einhaltung aller relevanten (Re-)Exportregelungen verpflichten und Reexporte meldepflichtig machen (No-Russia-Clause)
  • Dokumentation: Alle Reexportvorgänge nachvollziehbar dokumentieren und Meldepflichten gegenüber Behörden (z.B. BAFA, BIS) beachten.

4. Immaterieller Technologie- und Softwaretransfer ohne Bewusstsein für Export

Exportkontrollrechtlich relevant ist nicht nur die physische Ausfuhr, sondern auch die Übermittlung technischer Daten – sei es per E-Mail, über Cloud-Server oder persönliche Schulungen. Unadressierte Cloud-Uploads oder ungesicherte Videokonferenzen können unerlaubte Technologieverbringungen darstellen.

Vermeidung:

  • Technology Control Plan (TCP): Erstellung eines verbindlichen Plans mit organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen (Verschlüsselung, Zugriffsrechte) für besonders sensible Projekte.
  • Kommunikationsrichtlinien: Klare Vorgaben für E-Mail-Anhänge, cloudbasierte Datenspeicherung und externen Zugriff.
  • Review internationaler Kooperationen: Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeiten frühzeitig auf Exportkontrollaspekte hin überprüfen.

5. Fehlende oder unzureichende Compliance-Strukturen

Ohne ein lebendiges, auf das Risiko des Unternehmens zugeschnittenes Internal Compliance Programme (ICP) bleibt jede Präventionsmaßnahme Stückwerk. Viele ICPs beschränken sich auf Alibi-Dokumentationen und vernachlässigen regelmäßige Anpassung und Audits.

Vermeidung:

  • ICP-Aufbau nach Leitfäden des BAFA/Kommission/BIS und OFAC: Definition von Zuständigkeiten, Entscheidungswegen, personellen und technischen Mitteln.
  • Risikoanalyse als Kern: Kontinuierliche Identifikation und Bewertung neuer Compliance-Risiken (Produkte, Märkte, Rechtsänderungen).
  • Prozess- und Systemprüfungen: Regelmäßige prozessbezogene Kontrollen (Vier-Augen-Prinzip, Stichproben) und systembezogene Audits mindestens alle drei Jahre.
  • Schulung und Sensibilisierung: Jährliche Fortbildungen aller am Export beteiligten Mitarbeiter mit Dokumentation in der Personalakte.

Fazit:

Organisation und Know-how sind die wirksamsten Schutzschilder gegen Exportstrafrecht. Kleine Fehler in der Klassifizierung, Endverwendungsprüfung oder im Technologietransfer können existenzielle Risiken bergen. Ein ganzheitliches Compliance-System, das auf den hier skizzierten Maßnahmen aufbaut, sichert nicht nur die strafrechtliche Unbedenklichkeit, sondern erhält die globale Handlungsfähigkeit Ihres Unternehmens.

Kontakt:

Prof. Dr. SCHINDLER
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