Typische Fehlerquellen in der Exportpraxis – und wie man sie vermeidet

Im internationalen Handel kommt es immer wieder zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Exportkontrolle – oft begünstigt durch scheinbar unbedeutende Fehler in der täglichen Praxis. Ein systematischer Blick auf die typischen Fehlerquellen und ihre Vermeidung ist daher unerlässlich, um straf- und zollrechtliche Risiken von vornherein auszuschließen.
1. Fehlklassifizierung von Gütern
Die korrekte Einstufung von Waren nach der EU-Dual-Use-Verordnung (VO 2021/821) ist die Grundlage jeder Genehmigungsprüfung. Insbesondere bei Gütern mit doppeltem Verwendungszweck („Dual-Use“) kommt es häufig zu einer unvollständigen oder unzutreffenden Einordnung in Anhang I der Verordnung. Man verlässt sich dabei zu oft auf Herstellerangaben oder interne Vermutungen, statt einer strukturierten Suche in den offiziellen Listen.
Vermeidung:
Unternehmen sollten ein fest definiertes Verfahren zur Warenklassifizierung etablieren, das mindestens folgende Schritte umfasst:
- Recherche in den EU-Listen: Systematische Abfrage von Anhang I der VO 2021/821 (EU-Dual-Use-VO) oder der US-Commerce Control List (CCL) für technologisch vergleichbare Produkte.
- Einholung von Auskünften: Bei Unklarheiten ist eine verbindliche Anfrage an das BAFA oder eine fachkundige Beratung einzuholen.
- Regelmäßige Schulung: Export- und Produktmanagement müssen halbjährlich in der Interpretation kritischer Merkmale (z. B. Leistungsschwellen, Verschlüsselungsgrade) geschult werden.
2. Unzureichende Prüfung von Endverwendung und Endverwender
Allein auf Kunden- oder Spediteurserklärungen zu vertrauen, birgt die Gefahr, dass sanktionierte oder risikobehaftete Empfänger unbemerkt beliefert werden. Insbesondere bei sensiblen Gütern kann dies schnell zu Ermittlungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) führen.
Vermeidung:
- Endverbleibserklärung (EUC): Für risikobehaftete Lieferungen sollte immer eine schriftliche Erklärung des Kunden über Endverbleib und -verwendung eingefordert werden. Musterformular e-g. auf BAFA-Website.
- Listenprüfung: Automatisierter Abgleich aller Beteiligten gegen EU-, UN- und US-Sanktionslisten sowie OFAC/ITAR.
- Plausibilitätschecks: Bonitätsauskünfte und Wirtschaftsauskunfteien prüfen, ob die Angaben zu Unternehmen und Controlling-Strukturen schlüssig sind.
3. Umgehung durch Dritte – fehlende Kontrolle bei Reexporten
Viele Exporteure gehen fälschlicherweise davon aus, ihre Exportkontrolle ende mit Verlassen des EU-Hoheitsgebiets. Gerade bei Produkten mit US-Komponenten greifen jedoch auch nachträgliche US-Reexportbestimmungen (De-minimis-Regel, Foreign Direct Product Rule).
Vermeidung:
- Vertragliche Verpflichtungen: Kunden schriftlich zur Einhaltung aller relevanten (Re-)Exportregelungen verpflichten und Reexporte meldepflichtig machen (No-Russia-Clause)
- Dokumentation: Alle Reexportvorgänge nachvollziehbar dokumentieren und Meldepflichten gegenüber Behörden (z.B. BAFA, BIS) beachten.
4. Immaterieller Technologie- und Softwaretransfer ohne Bewusstsein für Export
Exportkontrollrechtlich relevant ist nicht nur die physische Ausfuhr, sondern auch die Übermittlung technischer Daten – sei es per E-Mail, über Cloud-Server oder persönliche Schulungen. Unadressierte Cloud-Uploads oder ungesicherte Videokonferenzen können unerlaubte Technologieverbringungen darstellen.
Vermeidung:
- Technology Control Plan (TCP): Erstellung eines verbindlichen Plans mit organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen (Verschlüsselung, Zugriffsrechte) für besonders sensible Projekte.
- Kommunikationsrichtlinien: Klare Vorgaben für E-Mail-Anhänge, cloudbasierte Datenspeicherung und externen Zugriff.
- Review internationaler Kooperationen: Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeiten frühzeitig auf Exportkontrollaspekte hin überprüfen.
5. Fehlende oder unzureichende Compliance-Strukturen
Ohne ein lebendiges, auf das Risiko des Unternehmens zugeschnittenes Internal Compliance Programme (ICP) bleibt jede Präventionsmaßnahme Stückwerk. Viele ICPs beschränken sich auf Alibi-Dokumentationen und vernachlässigen regelmäßige Anpassung und Audits.
Vermeidung:
- ICP-Aufbau nach Leitfäden des BAFA/Kommission/BIS und OFAC: Definition von Zuständigkeiten, Entscheidungswegen, personellen und technischen Mitteln.
- Risikoanalyse als Kern: Kontinuierliche Identifikation und Bewertung neuer Compliance-Risiken (Produkte, Märkte, Rechtsänderungen).
- Prozess- und Systemprüfungen: Regelmäßige prozessbezogene Kontrollen (Vier-Augen-Prinzip, Stichproben) und systembezogene Audits mindestens alle drei Jahre.
- Schulung und Sensibilisierung: Jährliche Fortbildungen aller am Export beteiligten Mitarbeiter mit Dokumentation in der Personalakte.
Fazit:
Organisation und Know-how sind die wirksamsten Schutzschilder gegen Exportstrafrecht. Kleine Fehler in der Klassifizierung, Endverwendungsprüfung oder im Technologietransfer können existenzielle Risiken bergen. Ein ganzheitliches Compliance-System, das auf den hier skizzierten Maßnahmen aufbaut, sichert nicht nur die strafrechtliche Unbedenklichkeit, sondern erhält die globale Handlungsfähigkeit Ihres Unternehmens.
Kontakt:
Prof. Dr. SCHINDLER
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Stabelstr. 8 | 76133 Karlsruhe
mail@exportrecht.com
Telefon: +49 (0)721 85 140 840